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Berlin schränkt Airbnb-Vermietungen radikal ein

Von Yannic Rehm, Der Spiegel

Berlin verbietet alle Airbnb-Ferienwohnungen, die keine offizielle Genehmigung der Stadt haben. Ab Mai gelten Bußgelder von bis zu 100.000 Euro. Wann welche Ausnahmen möglich sind, ist noch unklar.

Ruhig, zentral, preiswert – so bewirbt Tom seine Berliner Ferienwohnungen bei Airbnb, einem Internetportal, das allein in Berlin 17.300 Unterkünfte listet. Mit 65 Euro für zwei Personen ist die Nacht bei Tom, der seinen Nachnamen nicht veröffentlichen will, günstiger als in vielen Hotels. Seine zwei Unterkünfte im Bezirk Mitte betreibt er seit Jahren, meist sind sie ausgebucht. Online schreiben Besucher “Super Lage. Tolle Wohnung” oder “Perfektes Apartment!”.

Doch geht es nach dem Berliner Senat, sind Ferienwohnungen wie die von Tom in Kürze illegal. Am 1. Mai endet in Berlin die zweijährige Übergangszeit des sogenannten Zweckentfremdungsgesetzes. Es verbietet, die eigene Wohnung ohne Sondererlaubnis gegen Geld als Ferienwohnung anzubieten. Auch sind Betreiber von Online-Vermittlungsportalen verpflichtet, den Behörden Auskunft über die Vermieter zu geben.

Der Grund: Die Politik macht das unkontrollierte Vermieten von normalen Wohnungen an Touristen für steigende Mieten und fehlenden Wohnraum in Berlin verantwortlich. Wer sich nicht an die Vorschrift hält, muss laut Gesetz mit einem Bußgeld von bis zu 100.000 Euro rechnen. Mitte März hatte das Berliner Abgeordnetenhaus diese Summe festgesetzt und damit noch einmal kräftig erhöht – zuvor lag die geplante Maximalstrafe bei 50.000 Euro. Die Opposition im Abgeordnetenhaus forderte damals sogar eine halbe Million.

Die Größenordnung des Bußgelds zeigt: Der Politik geht es mit dem Gesetz in erster Linie um Abschreckung. Nicht noch mehr Berliner sollen auf die Idee kommen, Urlauber in ihrer Wohnung einzuquartieren. Denn was das geltende Gesetz ab Mai nun genau verbietet und wann Ausnahmen vom Verbot möglich sind, ist unklar und umstritten.

Viele Fragen nicht geklärt

So fragen sich selbst Juristen, was es bedeutet, dass eine Sondererlaubnis bei “öffentlichem Interesse” oder “schutzwürdigem privaten Interesse” erteilt werden muss. Einige zweifeln sogar, ob das Gesetz mit der Berliner Verfassung in Einklang steht. Zudem ist nach Meinung der Berliner Opposition fraglich, wie die Verwaltung das Verbot ab Mai durchsetzen soll. Die angekündigten Stellen würden bei Weitem nicht ausreichen, um Anträge zu bearbeiten und Tausende illegale Wohnungen aufzuspüren.

Abgeschreckt von den hohen Bußgeldern sind zudem vor allem Privatleute, die ihre eigene Wohnung nur gelegentlich vermieten. Sie bezeichnen sich als “Home Sharer”, auch für sie gilt das Verbot. “Wir nehmen niemandem Wohnraum weg”, sagt Katrin. Seit Jahren überlässt sie Touristen hin und wieder ihre Wohnung, wenn sie selbst nicht in der Stadt ist. “Unsere Wohnung liegt direkt am Potsdamer Platz, das ist perfekt für Besucher.”

Zwar gibt es im Gesetz eine Ausnahmeregel: Weiter erlaubt ist danach das Vermieten des Gästezimmers, während der Vermieter selbst in der Wohnung lebt. Maximal die Hälfte der Fläche darf dann an die zahlenden Besucher gehen. Doch viele weitere Fragen sind nicht geklärt: Was passiert beispielsweise, wenn die gesamte Wohnung während einer Reise vermietet wird? Kann das schon zu dem 100.000-Euro-Bußgeld führen? “Das Schlimmste ist die Unklarheit”, sagt Katrin, die dennoch erst einmal weitervermieten will.

Die Berliner Bezirke, die das Gesetz trotz der Kritik umsetzen müssen, reagieren sehr unterschiedlich. Einige haben Anbietern von Ferienwohnungen bereits vertraglich zugesichert, so lange kein Bußgeld zu verhängen, bis gerichtlich geklärt ist, was das Gesetz bedeutet. Andere, wie der Bezirk Mitte, in dem auch Toms Wohnungen liegen, wollen von Anfang an hart durchgreifen und am liebsten gar keine Sondergenehmigungen erteilen. Der dortige Stadtrat für Bürgerdienste Stephan von Dassel (Grüne) kündigte jüngst im “Tagesspiegel” an, 95 Prozent der Anträge abzulehnen.

Mehr verärgert als abgeschreckt sind die professionellen Anbieter von Ferienwohnungen. Viele wollen vor Gericht gegen das Gesetz vorgehen, wissen aber ebenfalls nicht, wie sie sich ab 1. Mai verhalten sollen. Tom, der seine zwei Wohnungen als offizielles Gewerbe vermietet, sagt: “Erst hieß es, unser Antrag auf Sondergenehmigung werde auf jeden Fall abgelehnt.”

Nach mehreren Gesprächen habe die Verwaltung Verständnis gezeigt, schließlich halte er sich seit Jahren an alle Vorschriften. “Wie es weitergeht, weiß ich aber immer noch nicht”, sagt Tom. Da er von den Einnahmen lebe, werde auch er erst einmal weitervermieten und auf eine Reaktion der Verwaltung warten. “Rechtssicherheit sieht anders aus.”

Mietern von Airbnb-Wohnungen droht kein Bußgeld

Der Wohnungsvermittler Airbnb sieht die neue Lage in Berlin wie erwartet kritisch und schaltete sich auf den letzten Drücker in die Debatte ein. Mitte März ließ das US-Unternehmen eine repräsentative Umfrage in Berlin durchführen. Ergebnis: Mehr als 70 Prozent der Berliner würden die Strafen für Anbieter von Ferienwohnungen ablehnen.

Vor zwei Wochen schickten die US-Amerikaner dann sogar ihren PR-Chef Christopher Lehane nach Berlin. Sein Gespräch mit dem Berliner Staatssekretär für Wohnen, Engelbert Lütke Daldrup, blieb aus Sicht von Airbnb ohne Erfolg. Am Ende erklärte Lütke Daldrup: “Wir halten am Zweckentfremdungsverbot und den jüngst vom Abgeordnetenhaus von Berlin beschlossenen Gesetzesverschärfungen fest.” Außerdem erwarte er von Airbnb rechtskonformes Verhalten und forderte das Unternehmen auf, seine Kunden über die Bußgelder zu informieren.

Nichts zu befürchten haben in Berlin weiterhin die Mieter von Ferienwohnungen. Bußgelder und Verbote betreffen ausschließlich den Vermieter. Trotzdem sollten Besucher bedenken, dass sie in gebuchte Wohnungen bei Ankunft möglicherweise nicht einziehen können, weil den Behörden die unerlaubte Nutzung aufgefallen ist.

Berlin ist nicht die einzige Stadt, die die Zahl der Ferienwohnungen begrenzen will. Auch in Hamburg und Paris gelten strenge Gesetze. Und mit San Francisco steht der Vermittler Airbnb sogar in seiner Heimatstadt in der Kritik. Im Herbst fand dort eine Volksabstimmung statt, die ebenfalls die Vermietung von Ferienwohnungen einschränken wollte. Airbnb unterstützte die Gegner der Abstimmung mit acht Millionen Dollar, die Gegner konnten die dortige Abstimmung gewinnen.